Führung für Flüchtlinge

Sonderführung für Flüchtlinge am 10. Okt. 2015

Fort Hahneberg, eine Festungsruine am Westrand Berlins, zieht mit ihren vielfältigen Details viele Interessenten an. Neben der Ruine selber sind auch deren kleine Bewohner von immensem Interesse: die Fledermäuse.

Es lag also auf der Hand, unsere eigene Begeisterung zu teilen. Zu teilen mit jenen, denen ein wenig Normalität und die Chance, Neues zu erleben, mehr über ihre neue Heimat zu erfahren, sicher nur helfen kann.
Aus diesem Grunde haben wir – Erklärer und Helfer der Arbeits- und Schutzgemeinschaft Fort Hahneberg e.V. – Flüchtlinge aus der Erstunterkunft Pankstraße in das Fort eingeladen und dort mit der Festung, der Geschichte und vor allem eben den Fledermäusen bekannt gemacht.

Die Aktion war vom Aufwand her für hiesige Verhältnisse eigentlich überschaubar: Bus anmieten, ins Fort fahren, Führung, Gespräche und dann irgendwann die Rückfahrt. Das könnte man zumindest meinen, aber die Wirklichkeit sollte uns einholen – allerdings im positiven Sinne.
Es begann mit der Abholung an der Unterkunft. Bis zu diesem Zeitpunkt war nicht einmal im Ansatz absehbar, wie viele der Flüchtlinge denn mitkommen wollten. Sehr zu unserer angenehmen Überraschung war der Bus bei der Abfahrt dann gefüllt – 50 Plätze hatten wir bereitgestellt. Der erste Stein fiel vom Herzen. Die Fahrt ins Fort verlief reibungslos, die Begrüßung dort war noch von ein wenig gegenseitigem „Beschnuppern“ geprägt, aber beim Tee entspannten sich unsere Gäste zusehends.

Sonderführung für Flüchtlinge am 10. Okt. 2015 Sonderführung für Flüchtlinge am 10. Okt. 2015

Die Führungen selber waren hochgradig spannend. Zu Beginn verteilten wir die von Vereinsmitgliedern bereitgelegten Taschenlampen aus, denn längst war die Dämmerung der Nacht gewichen. Die Notwendigkeit, einen Dolmetscher einzusetzen, besteht für uns eher selten, die Erfahrung, die Führung auf Englisch zu halten, damit der Dolmetscher einfacher ins Arabische übersetzen kann, ist im Zweifel einmalig! Wobei das Prinzip der Führung in gewisser weise auch „Neuland“ war. Nicht für uns, aber in den Herkunftsländern unserer Gäste scheint diese Form der Vermittlung von Fakten und Informationen tendenziell unbekannt zu sein. Die Stimmung hatte daher eher etwas von Basar – was der Sache aber keinen Abbruch tat – und die Führungen (wir hatten die Gruppe wegen der Größe teilen müssen) verliefen erfolgreich.
Spannender Weise war die gegenseitige Rücksichtnahme deutlich zu spüren. Das Thema „Fortpflanzung der Fledermaus“ kann ja tendenziell heikel sein, also blieb die Erklärung sehr „sachlich“ ohne blumige Umschreibungen. Die Nachfragen kamen prompt: „Wie viele Weibchen hat denn ein Männchen?“ – „Nun, die Weibchen paaren sich mit so vielen Männchen wie möglich – und umgekehrt“ – „Paaren?“ – „Sex …“ „Okaaaayyy (und einsetzendes Gejohle der Jugendlichen)“. Spätestens an diesem Punkt setzte dann auch eine internationale Sprache ein: gemeinsames Lachen.

Aus unserer Sicht war die Idee ein voller Erfolg, nicht zuletzt auch wegen der beiden Dolmetscher, die uns ganz hervorragend unterstützt haben. Aber der Tag war ja noch nicht vorbei … Nach einer gemeinsamen Pause, wieder bei Tee und Gebäck, setzten wir als letzten Höhepunkt des Abends die rekonstruierte Klapphebebrücke in Bewegung. Ihre Technik wurde interessiert bis begeistert von Außen und Innen in Augenschein genommen.

Unsere Gäste waren irgendwann dann doch sichtlich müde – viele neue Eindrücke kosten Kraft. Bevor wir richtig schauen konnten, setzte sich die Gruppe in Richtung Bus in Bewegung. Die Rückreise erlebten wir sehr ruhig, die Müdigkeit war da schon beinahe übermächtig. Angekommen in der Unterkunft, endete für uns alle ein aufregender Tag.
Es war für uns eine sehr spannende und interessante Erfahrung, ebenso wie es für unsere Gäste eine Abwechslung vom Alltag in der Erstunterkunft war, ein Stückchen Normalität nach einer sicher sehr strapaziösen Zeit. Unser Dank geht an alle, die dieses Projekt unterstütz haben, sei es mit Spenden, Zeit oder persönlichem Einsatz. Ohne diese Unterstützung wäre es nicht machbar gewesen. Die Idee an sich wird unsererseits aber uneingeschränkt zur Nachahmung empfohlen!